Die Wissensdatenbank mit Begriffen rund um's Thema Kunststoff
In diesem kostenfreien Onlinenachschlagewerk finden Sie zahlreiche Begriffserklärungen zum Werkstoff Kunststoff. Diese sind gerade auch für Quereinsteiger eine kleine Starthilfe in die umfangreiche Welt der Kunststoffverarbeitung.
Die Forschungseinrichtungen Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal, das belgische Institut für Textilforschung Centexbel und das Kunststoff-Zentrum SKZ in Würzburg bearbeiten seit Juni 2020 das Forschungsprojekt „Thermally and electrically conductive fibre and plastic materials” (TECMAT). Ziel ist es, thermisch und elektrisch hochleitfähige Thermoplastcompounds für neue Einsatzbereiche zu entwickeln, indem die bisher eingeschränkten Möglichkeiten der Urformung (Spritzgießen, Extrudieren) und des Thermoformens deutlich erweitert werden.
Das Ergebnis der Thermoformung einer ungefüllten und funktionalisierten Folie. (Foto: SKZ)
Im Forschungsprojekt TECMAT wird die elektrische Leitfähigkeit im Compound durch Zugabe von Kohlenstoff zu einem thermoplastischen Kunststoff erreicht. Der Thermoplast ist bei Ver-arbeitungstemperatur eine fließfähige Matrix, der jedoch nach der Verarbeitung als Festkörper gegenüber den Bedingungen des zukünftigen Einsatzbereiches beständig sein muss (Temperatur, Medien, Strahlung etc.). Der zugegebene Kohlenstoff kann in unterschiedlichsten Formen angewendet werden (Ruße, Graphite, nanoskalige Partikel). Das Compound wird mittels bekannter Extrusionstechnik hergestellt (zum Beispiel gleichlaufende Doppelschneckenextruder), jedoch müssen Aufbau und Prozessführung an die Erfordernisse der Spezialcompounds angepasst werden. Thermoplast und Kohlenstoff bilden einen funktionalen Verbundstoff, der die Eigenschaften der beiden Komponenten vereint. Es entsteht ein hoch medienbeständiges, elektrisch leitfähiges und über die Schmelze verarbeitbares Compound mit niedriger Dichte: Eine ideale Verbindung in vielen Anwendungen der Elektro- und Energietechnik.
Herstellung sind Grenzen gesetzt
Der Herstellung und Verarbeitung der Mischung sind jedoch spezifische Grenzen gesetzt. Diese hängen von den Rohstoffen, der Rezeptur und der Prozessführung ab. Mit zunehmendem Anteil an leitfähigen Partikeln in der Matrix wird das Gemisch im Bereich der elektrischen Perkolation, also der Ausbildung von leitfähigen Pfaden in der Matrix, schlagartig insgesamt leitfähig. Diese Leitfähigkeit nimmt oberhalb der Perkolation im „Packungsbereich“ weiter zu, so dass ein stabil leitfähiges Netzwerk aus Partikeln entsteht. Oberhalb bestimmter Füllgrade nehmen jedoch die Möglichkeiten zur Verarbeitung mehr und mehr ab. Erfahrungsgemäß geschieht dies in der Reihenfolge „Thermoformen – Folienextrusion – Spritzgießen – Compoundieren“.
TECMAT hat sich mit dem sog. „Koaleszenzansatz“ zum Ziel gesetzt, die Verarbeitungsmöglichkeiten hoch gefüllter Compounds deutlich zu erweitern. Hierbei übernimmt ein Teil des Thermoplasten die Aufgabe der Leitfähigkeit, während ein anderer Teil die erforderliche Fließfähigkeit bereit stellt.
Material darf nicht reißen
Das Thermoformen ist ein gut etablierter Umform-Prozess der Kunststoffverarbeitung, bei dem aus folienförmigen Halbzeugen im Temperaturbereich der plastischen Verformbarkeit und unter Verwendung von Negativ- oder Positivformen dreidimensionale Bauteile hergestellt werden. Thermoformbauteile sind z.B. Blister, Verpackungseinsätze, Becher, Wannen, Sitze und Module. Die Umformung geschieht in einem Temperaturbereich, in dem das Halbzeug noch formstabil und ausreichend plastisch ist. Zur dreidimensionalen Ausformung ist eine Verstreckung nötig, die das Material ohne Reißen bestehen muss.
Eigenes Thermoformwerkzeug konstruiert
Um all diese Eigenschaften in Kombination mit der elektrischen Leitfähigkeit wissenschaftlich bewerten zu können, wurde für die am SKZ in Würzburg vorhandene Maschine ein eigenes Thermoformwerkzeug konzipiert und gebaut. Es erfüllt alle Anforderungen an unterschiedliche Umformgrade im Prozess und kann auch für Folien der Breite 100 mm verwendet werden. Diese Dimensionen wurden ausgewählt, da die Compounds teilweise aus teuren Rohstoffen bestehen und nur in geringen Mengen (ca. 5 bis 10 kg) als Muster hergestellt werden. Um die Umformgrade, Radien und die Abformung einheitlich zu bewerten, wird eine passende Form (siehe Abb. 2) eines Berges mit definierten Flächen zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit und definierten Höhen zur Erreichung maximaler Verstreckungen verwendet. Das Thermoformwerkzeug wurde mithilfe des 3D-Druck-Verfahrens Cold Metal Fusion („Metal SLS“) von der Firma Headmade Materials GmbH in Würzburg gefertigt und anschließend auf der Thermoformmaschine installiert. Die Abmusterung mit zunächst ungefüllten Thermoplasten wurde erfolgreich durchgeführt.
Umformung bei elektrisch leitfähigen Compounds noch nicht möglich
Die Gegenüberstellung von Grundfläche und Abformfläche ergibt flächige Verstreckungsgra-de von 1,7 bis 3. Umgerechnet wird somit eine Folie von 1 mm Wandstärke auf 0,3 bis 0,6 mm reduziert, um das benötigte Oberflächenverhältnis auszugleichen. Diese Faktoren liegen bei der gewählten Form an spezifischen Punkten. Bei einer Folie aus elektrisch leitfähigem Compound ist es bisher nicht möglich, eine solch hohe Umformung zu erreichen. Dies soll durch den TECMAT-Ansatz verbessert werden. Die Ergebnisse sind im dritten Quartal 2021 zu erwarten.