Die Wissensdatenbank mit Begriffen rund um's Thema Kunststoff
In diesem kostenfreien Onlinenachschlagewerk finden Sie zahlreiche Begriffserklärungen zum Werkstoff Kunststoff. Diese sind gerade auch für Quereinsteiger eine kleine Starthilfe in die umfangreiche Welt der Kunststoffverarbeitung.
Das SKZ in Würzburg untersuchte gemeinsam mit dem langjährigen Partner Evonik das Langzeit-Kriechverhalten von weichmacherfreiem Polyamid (PA-U 12) unter Berücksichtigung des Feuchteeinflusses. Diese Studie dient als Grundlage für die Ergänzung der DVS Richtlinie 2205-1 um ein neues Beiblatt für PA-U 12, das der Deutsche Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. (DVS) in 2023 in Technical Codes on Plastics Joining Technologies veröffentlichen wird.
Schweißung einer Gas-Druckrohrleitung aus Polyamid 12 (Foto: EVONIK)
Die DVS-Richtlinie 2205-1 liefert dem Verarbeiter von Halbfabrikaten aus thermoplastischen Kunststoffen wichtige Berechnungsgrundlagen für den Behälter-, Apparate- und Lüftungsbau sowie für Industrierohrleitungen. Diese Berechnungen gelten für Standsicherheitsnachweise bei überwiegend statischer Beanspruchung. Konstrukteure finden in den Beiblättern zur Richtlinie 2205-1 detaillierte Kennwerte für gängige Werkstoffgruppen, mit welchen sie eine sichere Auslegung durchführen können. Die notwendigen Kennwerte berücksichtigen das werkstoffspezifische, zeitabhängige Verhalten von Thermoplasten für Langzeitanwendungen. Derzeit umfassen die Beiblätter die Werkstoffgruppen Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid (PVC) und Polyvinylidenfluorid (PVDF). Mit der neuen Werkstoffgruppe weichmacherfreies Polyamid (PA-U 12), welche aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften für anspruchsvolle Anwendungen eingesetzt werden können, wird diese Auflistung nun erweitert. Insbesondere das Anfang 2023 neu erscheinende DVS 2205-1 Beiblatt 8 für PA-U 12 wird dafür sorgen, dass PA-U 12 bei der laufenden Revision der DVS 2210-Serie für Industrierohrleitungen und somit die oberirdische Verlegung von Gas-Druckrohrleitungssystemen aus PA-U 12 (maximal zulässiger Betriebsdruck MOP 16/18 bar) berücksichtigt wird. Allgemein eignet sich PA-U 12 aufgrund seiner hohen Dimensionsstabilität und Festigkeit für ressourceneffiziente Technologieentwicklungen mit hohen technischen Anforderungen wie Gewichtseinsparung und Langlebigkeit. Weitere Arbeiten zum Kriechverhalten werden folgen.
Spezialisten für das Langzeitverhalten
Materialdatenblätter enthalten in der Regel nicht die werkstoffspezifischen Kennwerte, die für die Langzeitauslegung von Kunststoffbauteilen notwendig sind. Angesichts der meist sicherheitsrelevanten Anlagen müssen die Konstrukteure Festigkeits- und Stabilitätsnachweise für lange Zeiträume von teilweise 25 Jahren und mehr erbringen. „Deshalb setz sich Evonik seit Jahren für die Festlegung von verlässlichen Kennwerten für die Werkstoffgruppe PA-U 12 ein“ erläutert Hermann van Laak, bei Evonik Smart Materials verantwortlich für Standards und Zulassungen. „Wir prüfen unsere Werkstoffe auf Herz und Nieren. Die vorhandenen Materialdaten reichen in der Form aber nicht für die hohen Anforderungen der DVS bezüglich Langzeitverhalten aus,“ führt van Laak fort. Da kommen die Spezialisten vom SKZ ins Spiel. „Wir konnten die vorhandenen Kriechdaten von Evonik (mit Messzeiten von z. T. über ein Jahr) so aufbereiten und ergänzen, um so das Langzeitverformungsverhalten in Abhängigkeit von Temperatur und Feuchtegehalt für Zeiten von 25 Jahren zu beschreiben.“ bestätigt Dr.-Ing. Frédéric Achereiner, Experte am SKZ für das Kriechverhalten von Thermoplasten. „Dazu nutzen wir die besonderen Eigenschaften von Kunststoffen aus. Deren ausgeprägte Zeitabhängigkeit geht auch mit einer starken Temperatur- und Spannungsabhängigkeit einher. Mittels des Time-Temperature-Superposition-Principle (TTSP) bzw. des Time-Stress-Superposition-Principle (TSSP) können wir das Kriechverhalten für deutlich längere Zeiten als direkt gemessen sicher vorhersagen“ ergänzt Achereiner. Diese Methode ermöglicht auch Werte für Lastniveaus und Temperaturen zu interpolieren, welche nicht explizit geprüft wurden. Damit konnten die von der DVS-Richtlinie geforderten Kriechmoduli in Abhängigkeit von Spannung und Temperatur berechnet werden.
Berücksichtigung von Feuchteeinflüssen
Selbst wenn PA-U 12 sich unter den Polyamiden durch eine sehr geringe Wasseraufnahme auszeichnet, bewirkt die aufgenommene Feuchte eine Weichmachung des Kunststoffs. Bei langanhaltenden Belastungen kann dies zu deutlich größeren Kriechverformungen führen. Deshalb ist es besonders wichtig dem Konstrukteur Kennwerte für unterschiedliche Konditionierungszustände (trocken/feucht) an die Hand zu geben. Um nicht alle Langzeitmessungen (z. T. über mehr als ein Jahr) wiederholen zu müssen, stellten die SKZ-Experten ein optimiertes Prüfkonzept zusammen. Dadurch war es möglich, den Einfluss der Feuchte im Wesentlichen anhand von Kurzzeitmessungen auf das Langzeitverhalten zu übertragen.
Von den Untersuchungen und deren Aufbereitung bis hin zum fertigen Richtlinienentwurf begleiteten die SKZ-Experten die Firma Evonik als zuverlässiger Partner. „Mit der Unterstützung des SKZ konnten wir erfolgreich unser Ziel erreichen, notwendige Daten zum Langzeitverhalten von PA-U 12 in die DVS Richtlinie 2205-1 aufzunehmen. Damit erhält die ganze Branche deutlich mehr Sicherheit bei der Planung von frei verlegten Rohrleitungssystemen aus PA-U 12.“ betont van Laak.